Die Pattdemokratie

Ein Zeitreise-Bericht der Klasse 9.4 des Rosa-Luxemburg-Gymnasiums vom 23. September 2022


Wir schreiben das Jahr 2045

Auf der politischen Bühne stehen sich das DAD-Bündnis („Demokratischer Aufbruch für Deutschland“) sowie die DVD („Demokratische Volkspartei“) unversöhnlich gegenüber. Die DAD und die DVD beanspruchen jeweils für sich, die „wahren“ Demokraten zu sein und das Beste für Deutschland zu wollen. Die DAD meint, dass das Grundgesetz über allem stehe und unantastbar sei, während die DVD für eine Abschaffung des Grundgesetzes ist. Wenn es nach ihr geht, soll jedwede Art von Gesetzen eingeführt oder abschafft werden können, solange eine absolute Mehrheit im Parlament dafür vorhanden ist. Politische Minderheiten seien nur Sand im Getriebe und verhinderten die Lösungen für drängende Probleme. Die DAD hat derzeit die Mehrheit im Parlament.

Die parteipolitische Spaltung spiegelt sich auch auf der Landkarte wider. Während in den Städten die DAD gewählt wird, gibt man auf dem Land der DVD die Stimme. Auffallend ist, dass Menschen mit Migrationshintergrund eher in Städten wohnen. Wer sich in der Stadt als DVDler offiziell outet, ist sehr bald sozial isoliert, umgekehrt gilt das Gleiche. Stadt und Land herrscht jeweils die eine oder andere Stimmung vor. Nahezu überall herrscht ein Zwang, sich dem einen oder anderen Lager zuzuordnen. Anhand der per „Molos“ (vor dem Auge aufploppende Minihologramme) einsehbaren persönlichen Profile gibt man seine Einstellung, wenn nicht direkt, dann über Codes, Symbole, Musik u.a. zu erkennen. Wer das nicht tut, gilt erst recht als verdächtig.

Dazu kommt, dass die Menschen auf dem Land die Nahrung produzieren, während die Städter Technologien herstellen. Aufgrund der parteipolitischen Verhärtung werden diese Güter nur zu sehr hohen Preisen an die jeweils anderen verkauft. Beide Lager werfen sich gegenseitig Betrug bei den jüngsten Wahlen vor, was weiteres Misstrauen schürt. Sie misstrauen der Technologie der Molos, die bei den Wahlen eingesetzt wird. Versuche der Parteispitzen, aufeinander zuzugehen und an einem Strang zu ziehen, sind bisher immer gescheitert.

Befragt man die Bürger, ob sie zufrieden mit der gesellschaftlichen Situation in Deutschland sind, dann geben sie an, traurig über die Spaltung in DADler und DVDler zu sein. Die Schuld daran wird dem jeweils anderen Lager gegeben.



Eine Szene, die sich im Jahre 2045 zugetragen hat…

1. Akt: Im 13-Fragen-Studio

 Handelnde Personen:  

  • Herr Tänzer – Moderator  
  • Arnulf Schwarzenegger – DAD-Politiker  
  • Moritz Meier – DVD-Politiker  

Herr Tänzer steht geschniegelt und gestriegelt auf der Bühne im Studio „13 Fragen“. Schlagermusik wird abgespielt.

Herr Tänzer: Herzlich willkommen zu meiner Show „13 Fragen“. Ich bin der Herr Tänzer. Ich tanze. Ich habe heute zwei Gäste eingeladen. Also herzlich willkommen.

Die deutsche Nationalhymne mit Hip-Hop-Beat wird abgespielt. Herr Arnulf Schwarzenegger läuft winkend in das Studio.

Herr Tänzer: Der Nächste!

Wieder wird Musik abgespielt. Moritz vom Dorf betritt das Studio.

Herr Tänzer: Beginnen wir mit der Diskussion. Also, fangen Sie bitte an! 

Arnulf Schwarzenegger: Mein Name ist Arnulf. Arnulf Schwarzenegger. Ich bin der Leiter der DAD. Ich bin FÜR die Grundrechte, da ohne Grundrechte eine Diktatur ausbrechen würde und viel mehr Schlechtes.  

Moritz Meier (mit starkem Dialekt): Und ich bin Moritz vom Dorf. Ich finde Presse- und Meinungsfreiheit gut und schön. Aber Demokratie heißt ja auch, dass man das Parlament wählt und das Parlament dann über die Gesetze entscheidet. Die Minderheit muss akzeptieren, was die Mehrheit will. Ansonsten wird die Mehrheit doch unterdrückt. Nur weil ein paar Leute auf ihre Menschenrechte pochen, muss die Mehrheit sich doch nicht um jeden Extrawunsch kümmern. Wenn die Entscheidung gefallen ist, hat sich jeder daran zu halten. Basta! (dreht sich grinsend in die Kamera) Wir sind das Volk! 

Arnulf Schwarzenegger (schüttelt den Kopf): Ja, aber was ist, wenn das Volk dann einen Diktator wählt? Was ist, wenn dann ein Diktator an die Macht kommt? Was passiert denn dann? Dann bricht doch eine Diktatur aus! 

Moritz Meier: Sie sprechen wohl aus Erfahrung… Also ich finde, dann ist es halt so. Wenn das Volk sich für den falschen Menschen, für die falsche Regierung entscheidet, dann ist das so. (schulterzuckend) Was willst du machen. 

Arnulf Schwarzenegger: Aber das ist doch absurd. Wo sind wir denn hier? Außerdem sagen Sie doch mal, warum liefern Sie uns denn eigentlich kaum Nahrungsmittel? Sie sind doch vom Land. Sie haben doch so viel, warum geben Sie uns dann nichts? 

Moritz Meier: Weil! Wir haben unsere Äpfel. Lecker, lecker. Und hier Gemüse, das behalten wir für uns, weil Sie uns keine Technologien geben. Ihr habt alles in Euren Städten, aber (hebt den Finger) bei uns gibt es oft ja nicht einmal kostenloses WLAN auf dem Marktplatz. Was sollen wir machen? 

Arnulf Schwarzenegger: Nur weil wir eine andere Partei wählen, heißt das doch nicht gleich, dass wir Ihnen nichts geben. Das heißt doch nicht, dass Sie uns nichts geben. Das ist doch unglaublich. Wohin soll das führen? 

Moritz Meier: Ja. Also bitte. Also ich finde, jetzt, wo wir Geld haben, können wir uns Hologramm-Smartphones leisten. Aber ich weiß gar nicht, wie das funktioniert. Uns wurde das nicht erklärt. Zum Beispiel wollen Sie, dass wir damit an den Wahlen teilnehmen. Wie soll das funktionieren? 

Arnulf Schwarzenegger (rollt ungläubig mit den Augen): Ich bitte Sie. Wir sind doch im Jahr 2045! 100 Jahre nach dem Krieg. Jetzt hat man doch Smartphones! Jeder hat Smartphones. Das ist doch gelogen!

Moritz Meier: Aber wenn Sie dann so wählen, dann gibt es doch Hacker. Die Technik, das funktioniert doch nicht. Nein. Ich glaube, Hacker können die Wahlen beeinträchtigen. Ich traue dem nicht.

Arnulf Schwarzenegger: Sagen Sie doch nichts davon. Sie sind doch diejenigen, die die Wahlen beeinflussen. Deswegen sind wir auch nie zu einer Übereinstimmung gekommen. Deswegen haben wir diese extreme Trennung zwischen DAD und DVD.

Die Diskussion wird hitzig.

Herr Tänzer (sichtlich besorgt und beschwichtigend): Sie sollten sich nicht zu nahe kommen!

Moritz Meier: Diese Technik. Also bitte! Klar, wir können uns diese Handys leisten… (energisch) Wir sollten jetzt zu einem Entschluss kommen! Sie wollen uns keine Technologie geben, weil Sie uns auf dem Land kleinhalten wollen. Geben Sie das zu und ändern Sie das!

Arnulf Schwarzenegger (dreht sich zum Moderator): Sagen Sie, was sagen Sie dazu?

Herr Tänzer zuckt mit den Achseln.

Arnulf Schwarzenegger (mit dem Finger auf Moritz zeigend): Okay. Also, ich finde, Sie sagen nur Schwachsinn!

Moritz Meier (ungehalten): Na, hören Sie mal! Kommen Sie ruhig her!

Arnulf Schwarzenegger schlägt Moritz. Gerangel. Herr Tänzer hilft Moritz auf. Arnulf rennt weg. Die Live-Show wird abgebrochen.


Redaktion: eh, tm