Gespaltener Widerstand

Ein Zeitreise-Bericht der Klasse 11a der Evangelischen Schule Neukölln vom 14. bis 15. November 2022

Deutschland im Jahre 2045

Es hat sich einiges geändert. Die Gesellschaft ist geprägt von Unzufriedenheit und sich verschärfenden Klassenunterschieden. Die Bürger haben kein Vertrauen in die Politik mehr, da die Politiker sich nicht um ihre Bürger kümmern. Die Altparteien verlieren an Bedeutung und stellen in den Augen vieler keine glaubwürdige Alternative zur aktuellen Regierung mehr dar.

Die Bürger stehen am finanziellen Abgrund. Obwohl die „Unterschicht“ eigentlich zusammenhalten sollte, kommt es zu Streitigkeiten und in ihr zur Gruppenbildung. Es hat sich ein Personenkult um einen Mann namens Phillip sowie eine Gruppe „demokratischer Kommunisten“ gebildet. Diese oppositionellen Kräfte ziehen nicht an einem Strang und können daher nicht gegen die repressive Regierung vorgehen. Aufgrund des vorangeschrittenen Klimawandels kamen viele Geflüchtete ins Land. Diese Situation nutzt die Regierung als Vorwand, um die Steuern zu erhöhen.

Die Regierung ist jedoch korrupt. Die reichen Politiker führen ein unbeschwertes Leben oben auf der Klippe, während die Armen unten mit Hilfe von Polizei-Robotern kontrolliert werden. Die Propaganda gibt die Illusion vor, dass jeder Arme in die Schicht der Reichen aufsteigen kann. Die Bessergestellten werfen den Armen vor, dass sie selbst schuld an ihrem Schicksal seien. Genmanipulation erlaubt es zudem den Bessergestellten, ihren Kindern die bestmöglichen Voraussetzungen für ein Leben im Wohlstand zu geben, was die Spaltung in der Gesellschaft weiter zementiert.



Eine Szene, die sich im Jahre 2045 zugetragen hat…

1. Akt: Im Fernsehstudio

 Handelnde Personen:  

  • Eleanor Cinclair – Nachrichtensprecherin  
  • Dalia Blade – Nachrichtensprecherin  

Der Fernseher läuft, wie immer laufen die Abend-Nachrichten um 20 Uhr.

Eleanor Cinclair (in die Kamera lächelnd): Herzlich willkommen zu den Nachrichten für die ganze Welt. Mein Name ist Eleanor Cinclair und das ist meine Kollegin Delia Blade. Heute feiern wir den großen wundervollen 8. Jahrestag unserer großen Wende. Die vielen Klimaflüchtlinge, die 2038 zu uns kamen, haben unsere Wirtschaft auf eine harte Probe gestellt. Sie musste sich an die schwierige Lage anpassen.

Dalia Blade: Im Angesicht der Katastrophe ist uns dennoch gelungen, einen phänomenalen und damit auch wirtschaftlichen Schritt nach vorne zu machen und damit zu verkünden, dass wir und unser gesamtes zivilisiertes Volk die treibende Kraft der gesamten Menschheitsgeschichte sind. Wie immer gibt es jedoch Menschen, die uns unseren Erfolg nicht gönnen wollen.

Eleanor Cinclair: Sie sind verblendet in ihrer eigenen Überzeugung, dass wir sie ausnutzen, obwohl sie selbst ein Haufen radikaler links- und rechtsextremer Gruppen sind. 

Dalia Blade (wütend): Diese Terroristen, die schuld an ihrem eigenen Leid sind, gehen dann auch noch so weit, dass sie den größten Fortschritt unserer Menschheitsgeschichte als den „Absturz“ bezeichnen. 

Eleanor Cinclair (auf einmal wohlwollend und fröhlich): Wir bedanken uns fürs Zuhören. Das war unser Beitrag zum 8. Jahrestag. Wir wünschen Ihnen noch einen schönen Tag.

Es folgt die Vorausschau des Wetters, das wenig Hoffnung für die kommenden Tage macht.


2. Akt: Auf dem Marktplatz

 Handelnde Personen:  

  • Philip – Anführer einer rechten Bewegung  
  • Eliah – Repräsentant der Kommunisten  

Zwei Menschengruppen treffen sich auf dem Marktplatz. Beide schicken offenbar jemanden, um miteinander zu verhandeln. Passanten beobachten das Geschehen teils besorgt, teils neugierig.

Phillip (auf Eliah zugehend): Die Sache sieht wie folgt aus. Ich habe genügend Waffen und du genügend Ressourcen. Meine Leute verhungern. Deine werden schwer verletzt und in Krankenhäuser eingeliefert, weil wir nicht genügend Waffen für den Kampf gegen die Militärroboter haben.

Eliah: Du verstehst mich nicht! Ich stehe anders als du nicht als politischer Anführer, sondern als demokratischer Repräsentant für meine Gruppe hier. Und die hat sich noch nicht darüber einigen können, ob sie dir mit deinem elenden Personenkult unsere wertvollen Nahrungsmittel für ein paar Schusswaffen übergeben wollen oder nicht. Wenn ich jetzt zusage und meine Leute danach tagelang hungern müssen, dann werde ich gelyncht!

Phillip (vorwurfsvoll): Ich verstehe dich ja, allerdings leiden meine Leute. Sie verhungern! Ich dachte Solidarität und Mitleid seien kommunistische Tugenden.

Eliah (wütend): Weißt du, dass das höchste Wesen für den Kommunisten der Mensch selbst ist? Denk darüber nach, du dreckiger Faschist! Deine Leute leiden? (mit einem prüfend-ironischen Blick) Ich dachte, du seist der Gott, der Leid in Luft auflösen lassen kann! Ich dachte, für sie bist du das höchste Wesen. Beten sie dich etwa umsonst an?

Phillip (sehr verärgert): Wie kommst du darauf, mir Vorwürfe zu machen? Wenn deine politischen Vorgänger sich selbst wie Götter aufgespielt haben!

Eliah (lächelnd): Mein guter Phillip, mir scheint, du hast im Geschichtsunterricht vor dem Absturz nicht richtig aufgepasst. Wir waren diejenigen, die diese ganze Katastrophe vorausgesehen haben!

Phillip (noch verärgerter): Wenn ihr sie vorausgesehen habt, warum habt ihr sie nicht verhindert? Eure Politik war nicht gut genug, um lange genug an der Macht bleiben zu können, ohne in einer Diktatur zu enden.

Eliah (die Arme verschrenkend): Na gut, was hat deine Politik deinen Leuten zu bieten?

Phillip (nach vorne schauend): Es reicht, wir schweifen vom Thema ab. Eigentlich haben wir doch denselben Feind.

Nach einer Weile gehen die beiden Gruppen getrennte Wege.


3. Akt: Im Café

 Handelnde Personen:

  • Ida – Politikerin (Oberschicht)  
  • Johanna – Politikerin (Oberschicht)  
  • Passant  

Zwei junge Frauen in modischer Kleidung trinken Latte Macchiato und unterhalten sich angeregt.

Ida (besorgt nachfragend): Wie war deine Operation?

Johanna (erleichtert): Es lief eigentlich ganz gut. Wie krass, dass das alles ein Roboter gemacht hat.

Ida: Ja, das stimmt. Was die im Bereich Medizin und Technik alles geschafft haben…

Johanna (begeistert): Ja, ich war letztens bei einem Doktor, der mein Baby modifiziert hat!

Ida: Wie lief das denn ab?

Johanna: Ich konnte mir alles aussuchen. Die Haarfarbe, die Augenfarbe, wie das Kind generell aussehen wird – ich habe das perfekte Baby!

Ida: Ja es ist schon cool, was wir alles geschafft und was für Möglichkeiten wir haben. Aber eigentlich sollten ja alle diese Chancen haben!

Johanna (den Kopf schüttelnd): Ja, aber jeder hat ja die Möglichkeit! Nur weil jemand zu wenig Geld hat, ist das ja nicht unser Problem. Die könnten sich ja ein bisschen anstrengen…

Ida (ihr Champagnerglas haltend und nickend): Ja, das stimmt auch wieder.

Sie stoßen auf ihren Nachwuchs an und verabreden sich zum nächsten Shopping.


Redaktion: eh, tm.