Ein Zeitreise-Bericht der Klasse 11a der Evangelischen Schule Neukölln vom 14. bis 15. November 2022
Deutschland im Jahre 2045
Im Angesicht einer verheerenden Hungersnot wählen die meisten Menschen die Parabel-Partei mit ihrem „Jan von der Spree“ als ihren selbsterkorenen Retter. Seine Frau ist gleichzeitig Premierministerin in Polen. Aus diesem Grund geht schon seit einiger Zeit das Gerücht um, die beiden planten die Zusammenführung beider Länder in zwei parallelen Referenden.
Wegen der Lebensmittelknappheit und des dadurch entstehenden Misstrauens untereinander flüchten die Bürger die meiste Zeit ins Metaverse. Der Unmut der Bürger richtet sich nicht gegen bestimmte Personengruppen, da die Politik keine Fremdenfeindlichkeit schürt oder traditionelle Lebensweisen propagiert, sondern eher auf Ausgleich und Verständnis setzt. Trotz oder gerade wegen der Hungerskatastrophe vertrauen die Leute der Politik bzw. Jan von der Spree, weil er ihnen Essen und eine bessere Zukunft verspricht und die Grundbedürfnisse sichert – und der Wunsch nach einer Person groß ist, die endlich die Wende schafft. Aufgrund der gesellschaftlichen Spannungen setzt die Polizei immer mehr Drohnen ein, um Kriminalität und Gewalt rechtzeitig zu unterbinden. Auch das Bargeld wird zu diesem Zweck abgeschafft – Drogenhandel und Schwarzmarktgeschäfte gehören der Vergangenheit an.
Trotz der schlechten Situation haben die Bürger Vertrauen in die Parabel-Partei, der sie die schlechte Lage nicht anlasten, sondern erste Fortschritte anerkennen. Dabei trägt auch eine breit angelegte Werbekampagne im Metaverse bei. Viele glauben weiterhin daran, dass man auf die Herausforderungen der Gegenwart nur eine europäische Lösung finden kann. Und so symbolisiert dieses deutsch-polnische Politik-Paar diese pro-europäische Überzeugung, die allerdings ihre Versprechen erst noch einlösen muss.
Eine Szene, die sich im Jahre 2045 zugetragen hat…
1. Akt: Bei der Essensausgabe
Es ist das Jahr 2022. Auf dem Dachboden ihrer Schule unterhalten sich zwei Freunde flüsternd. Es ist ihr geheimer Ort, der zudem voller alter Gegenstände ist. Ein wahrer Geheimplatz. Heute stellen sie sich vor, wie die Zukunft im Jahr 2045 aussehen wird.
Patrick: Stell dir mal vor: Das, was wir jetzt auf die Plakate geschrieben haben, wird wirklich passieren. Digga und stell dir mal vor, das mit dem Klimawandel geht so weiter. Dann würde die Hungersnot so richtig reinkicken.
Peter (nickt): Ja stimmt.
Dabei kommt Peter an einen kleinen Schalter in der Ecke des Dachbodens der Schule. Schlagartig wird es dunkel. Sie schauen verschreckt um sich und holen ihr Smartphone aus der Hosentasche. Es ist das 12:10. Am 14. November 2045! Das Licht geht wieder an und beide schauen sich ungläubig an.
Sie gehen auf die Straße. Eine Menschentraube steht unweit bei einer Essensausgabe an. Auf einem Plakat ist der Bundeskanzler Jan von der Spree zu sehen. Sie schauen um sich – und sehen ihn in der Menschenschlange trotz Verkleidung, die er vermutlich trägt, um unerkannt zu bleiben.
Essensausgeber (laut und genervt rufend): So bitte, der nächste bitte! Hallo!
Jemand drängelt sich vor. Es kommt zu Handgreiflichkeiten. Der Streit droht zu eskalieren.
Essensausgeber (wütend): Was soll denn das? Ne, das geht so nicht. Ab! Ab!
Der Essensausgeber wendet sich der nächsten Person in der Schlange zu.
Bundeskanzler: Guten Tag!
Essensausgeber (völlig überrascht): Herr Bundeskanzler, was machen Sie denn hier? Haben Sie nicht genug Geld, um zuhause zu essen? Was machen Sie hier?
Bundeskanzler (verärgert nuschelnd): Lassen Sie das mal meine Sorge sein!
Essensausgeber: Ja okay, entschuldigen Sie bitte. Guten Appetit.
Bundeskanzler: Guten Tag.
Er hebt zum Abschied seinen Hut und mischt sich unter die Menge. Er will unerkannter Beobachter bleiben.
2. Akt: Auf der Straße
Die beiden Freunde gehen weiter und unterhalten sich ungläubig über ihre aufregende Zeitreise.
Patrick: Stell dir vor, Digga, wie auf den Plakaten. Die Präsidenten von Polen und von Deutschland regieren zusammen. Stell dir das mal vor…
Peter: Das wäre unglaublich! Krass…
Sie bleiben stehen und hören, wie eine Familie miteinander spricht.
Mann: Du, Schatz?
Frau: Ja?
Mann (hoffnungslos): Es ist wirklich schlimm, wir haben kaum was zu essen.
Frau (unbeeindruckt): Ja, aber wir haben doch noch ein bisschen Studentenfutter.
Mann: Aber das reicht doch nicht für uns drei!
Das Kind kommt mit VR-Brille ins Wohnzimmer.
Kind: Papa! Mama! Ich habe Durst!
Frau: Na du, du warst mal wieder zu lange im Metaverse!
Kind: Ne! Ich will einen Fernseher jetzt. Und eine Playstation!
Frau: Kriegst du aber nicht!
Kind (kreischt): Ich will aber!
Frau (stoisch): Nein!
Mann: Du bist immer im Metaverse unterwegs, Kind. Mir ist das zu viel.
Kind (trotzig): Ja, aber das ist doch gut!
Mann (entrüstet): Naja, aber wir verbringen keine Zeit miteinander. Das geht doch nicht!
Kind: Naja, mir ist das eigentlich egal.
Mann: Also ich finde, man sollte in der Realität leben. Findest du nicht?
Frau: Naja, die Drohnen von Elon Musk überwachen uns. Im Metaverse ist man wenigstens frei und unbeobachtet.
Mann (nickt und schaut nervös um sich): Na, hoffen wir es!
Patrick und Peter blicken sich besorgt an und schauen um sich, ob Drohnen zu sehen sind. Aber ins Metaverse würden sie schon gerne einmal gehen.
3. Akt: Auf der Pressekonferenz
Die beiden kommen an einer riesigen Leinwand vorbei, auf der gerade die Nachrichten laufen. Es wird eine Pressekonferenz des Bundeskanzlers gezeigt.
Pressesprecher (in die Kamera blickend): Der Bundeskanzler ist da. Wir können mit den Fragen beginnen. Sie da, Ihre Frage bitte!
Journalist 1: Hallo! Was haben Sie vor, gegen die Hungersnot zu unternehmen?
Bundeskanzler (zuversichtlich): Ich finde, unser jetziger Stand ist ganz gut. Wir haben Essensrationen und das funktioniert gut. Wir müssen dafür sorgen, dass das so bleibt.
Journalist 2: Was ist Ihre Meinung zu der hohen Kriminalität?
Bundeskanzler (ernst): Die Kriminalität ist ein großes Problem. Ich würde gerne von einem Ereignis erzählen, was ich beobachtet habe. Vor einer Woche musste ich mitansehen, wie eine Person auf der Straße verprügelt wurde. Ich verspreche Ihnen, dass wir gegen die Kriminalität vorgehen werden.
Journalist 3: Herr Kanzler, wie wollen Sie denn dagegen vorgehen?
Bundeskanzler: Mit Drohnen! Sie werden das Geschehen filmen und so können die Täter gefunden werden.
Journalist 3 (nachhakend): Herr Kanzler, was sagt Ihre Frau dazu? Und ihre Kinder?
Pressesprecher (dazwischen gehend): Keine privaten Fragen!
Journalist 3 (lauter): Und was sagen Ihre Eltern?
Der Pressesprecher winkt dem Bundeskanzler zu. Er entfernt sich. Patrick und Peter sind sich einig, dass sie doch lieber zurück in das Jahr 2022 reisen wollen. Sie gehen zum Dachboden ihrer alten Schule und drücken den Schalter. Kurz wird es dunkel und auf ihren Smartphones steht nun 12:10 Uhr, 14. November 2022.
Redaktion: eh, tm.