Reichtum durch Spendenaktion?

Ein Zeitreise-Bericht der 12. Klasse des OSZ Lotis vom 5. bis 6.12.2022

Deutschland im Jahre 2045

Was passiert, wenn eine Millionärin Armut in der eigenen Familie entdeckt? Sind Blutsbande wichtiger als Klassenunterschiede?

Wie reagieren, wenn der eigene Neffe auf der Straße leben muss? Kann das Mitgefühl einer einzelnen Person die gesamte Gesellschaft verändern?

1. Akt: Auf der Straße

 Handelnde Personen:  

  • Frederike – wohlhabend, Ehefrau von Peter  
  • Peter – wohlhabend, Ehemann von Frederike  
  • Pascal – armer Bettler und Frederikes Neffe  

Frederike und Peter sind wohlhabende Menschen und auf dem Weg zum Golfplatz. Frederike empört sich gerade über ihren Kontostand, als sie an einer Straßenecke jemanden sitzen sehen, der ihnen bekannt vorkommt.

Frederike (seufzend zu Peter): Schon wieder 25.000 Euro auf meinem Konto, ich weiß gar nicht, was ich damit anfangen soll.

Peter (deutet auf einen Bettler an der Straßenecke): Schatz? Sag mal, ist das nicht Pascal? Der Mann, der dort auf dem Boden kniet? Dein Neffe Pascal?

Frederike (entsetzt): Oh, stimmt. (beugt sich runter zu Pascal) Pascal, sag mal, was machst du denn hier?

Pascal (heruntergekommen und beschämt, blickt kurz auf zu Frederike und schaut direkt wieder auf den Boden): Ich hatte vor fünf Jahren ein Unternehmen gegründet. Leider ist es insolvent gegangen. Dann hat meine Frau mich verlassen. Sie hasst mich. Meine Kinder hassen mich. Ich bin ganz alleine. Und hier sitze ich jetzt ganz alleine.

Frederike (stupst Peter an und ruft begeistert): Weißt du, was? Ich hab ja genug Geld auf dem Konto. Ich finde, wir sollten eine Spendenaktion für dich starten!

Peter (nickt zustimmend): Aber nicht nur für ihn, sondern auch für andere arme Menschen!

Pascal (hoffnungsvoll): Wirklich?

Peter (bietet Pascal seine Hand an): Ja. Steh auf und komm mit uns.

Pascal steht auf und folgt der Einladung der anderen. So richtig kann er sein Glück noch nicht fassen.

2. Akt: Bei der Spendenaktion „Gegen Armut“

 Handelnde Personen:  

  • Reporterin  
  • Demonstrierende Menge  
  • Frederike – wohlhabend, Ehefrau von Peter  
  • Peter – wohlhabend, Ehemann von Frederike  
  • Pascal – armer Bettler und Frederikes Neffe  

Peter und Frederike haben gleich ihren gesamten Einfluss genutzt und eine riesige Spendenaktion auf die Beine gestellt. Nun ist der Tag der Spendenaktion gekommen und beide stehen stolz mit Pascal auf der Bühne. Doch vor der Bühne beginnt sich eine Menschenmenge zu versammeln, die nicht begeistert scheint. Sogar eine Reporterin ist gleich vor Ort…

Reporterin (deutlich ins Mikro): Guten Morgen, liebe Zuschauerinnen und Zuschauer. Ich berichte hier live und vor Ort, heute am 6.12.2045, von einer Demonstration in Berlin. Eine große Menschenmenge hat sich vor der Bühne der Spendenaktion „Gegen Armut!“ versammelt und protestiert hier für mehr Lohngleichheit.

Demonstranten (laut im Hintergrund): LOHNGLEICHHEIT, LOHNGLEICHHEIT, LOHNGLEICHHEIT!!!

Reporterin (versucht, die Demonstranten zu übertönen): Ausgelöst wurde dieser Protest durch die Spendenaktion „Gegen Armut!“, organisiert von den wohlhabenden Eheleuten Peter und Frederike Meier. Beide möchten durch Spenden von der wohlhabenderen Bevölkerung einen Ausgleich der Schere zwischen Arm und Reich bewirken. Die Demonstranten würden ihr Geld aber lieber selber verdienen durch eine angemessene Lohnzahlung. Soll die Spendenaktion nun stattfinden oder nicht? Was denkt unser Publikum? Ist das eine gute Idee oder nicht? Wer abstimmen möchte und heute nicht vor Ort ist, kann über unsere Internetseite www.reporter.de mit abstimmen. Wir freuen uns über eine rege Beteiligung.

Die Nachrichtenmoderatorin leitet über zum Wetter.

3. Akt: Bei Pascals Ex-Frau zu Hause

 Handelnde Personen:

  • Heidi – Pascals Ex-Frau  
  • Lisa – Pascals Tochter  

Nicht weit entfernt kommt Pascals Tochter Lisa in die heruntergekommene Küche zu ihrer Mutter. Seit beide nicht mehr mit Pascal zusammenwohnen, geht es ihnen finanziell nicht besser als ihm. Lisa ist sehr aufgeregt und rennt zu ihrer Mutter. Auch hier hat Frederikes und Peters Spendenaktion große Wellen geschlagen…

Lisa: Mama, Mama! Hast du das mitbekommen auf Social Media?!?!

Heidi (schaut Lisa erstaunt an): Was ist denn los, Lisa? Warum bist du denn so aufgeregt?

Lisa (ruft aufgeregt): Hast du das denn nicht mitbekommen? Die Armen werden reich! WIR werden reich!

Heidi (völlig überrascht): Red keinen Quatsch. Das stimmt doch gar nicht.

Lisa (wird noch lauter): Doch! Wir kriegen so viel Geld, wir werden reich! Wir können endlich in den Urlaub!

Heidi (erstaunt): Aber was redest du denn da? Die wollen das Geld sicher zurückhaben!

Lisa (deutet auf den Fernseher): Nein! Schau mal im Fernsehen! Schau mal, da ist Papa! Und Großtante Frederike im Fernsehen!

Im Fernsehen ist die Bühne der Spendenaktion von Frederike und Peter zu sehen. Dort steht auch Pascal und winkt glücklich lächelnd mit mehreren Euroscheinen in die Kamera. Die Kamera zoomt auf einen Reporter rechts vor der Bühne.

Reporter (lächelt in die Kamera und spricht dann einen Mann neben sich an): Geld spenden? Wollen Sie Geld für die Armen spenden?

Der wohlhabende Mann mit Bart zückt sofort sein Portemonnaie aus Wildleder mit Goldapplikationen und sucht einen Schein heraus.

Wohlhabender Mann mit Bart (gluckst fröhlich): Jawohl! Aber natürlich! (drückt dem Reporter einen Fünfziger in die Hand). Für unsere Armen!

Reporter (schaut erneut in die Kamera und lächelt noch breiter): Jede Spende zählt! Spenden für unsere Zukunft! Für die Armen! Damit sie weiterleben können!

Vor dem Fernseher ist Lisa nun völlig aus dem Häuschen.

Lisa (springt auf): Was habe ich dir gesagt?! Schau! Die wollen spenden an alle Armen!

Heidi (seufzt skeptisch und streicht Lisa durchs Haar): Das ist eine Lüge. Glaub denen besser nicht. Du bist noch jung. Du lässt dich damit manipulieren. Das stimmt so alles nicht. Wir werden arm bleiben. Die Spenden werden sicher zurückgegeben.

Lisa (ruft laut): Nein, wirklich, Mama! Lass uns hingehen.

Wer von den beiden wohl Recht behalten wird? Lisa oder Heidi? Und darf Pascal wirklich sein Geld behalten? Kann eine Spendenaktion das Gefüge einer Gesellschaft verändern? Oder bleibt alles doch beim Alten? – Diese Fragen werden wohl erst in einigen Jahren beantwortbar sein.